Als Kulturwissenschaftlerin und Kostümbildnerin beschäftigen mich die Spuren, die von Menschen in ihrer Kleidung sichtbar oder spürbar bleiben.
Handschuhe finden immer wieder meine besondere Aufmerksamkeit, und zwar nicht nur die Exemplare, die wie vorgesehen Hände wärmen und ummanteln, die als funktionales Kleidungsstück und als ästhetisches Accessoire dienen. Mich interessieren auch die verlorenen Handschuhe – die verknüllten Hüllen, die keiner Person mehr zuzuordnen sind. Daraus ist ein Fotoprojekt entstanden: Seit vielen Jahren fotografiere ich überall, wo ich unterwegs bin, genau diese verlorenen bzw. gefundenen Handschuhe. Wo diese Handschuhe hergestellt wurden, wer sie gefertigt und wer sie getragen hat, lässt sich meist nicht mehr nachvollziehen. Doch die kleinen Objekte haben ein Leben im Hier und jetzt. In meinen Momentaufnahmen stehen sie für Schicksale, die im Laufe des Lebens, unterwegs, auf einer Reise, vielleicht auf der Flucht oder auf Abwegen, abhanden gekommen sind. Manche wurden aufgesammelt und auf einen Zaun gesteckt: In ihnen steckt die Hoffnung auf ein Wiedersehen.
In den kleinteiligen Hüllen bildet sich die Form der Hand auf eine spezielle Weise ab. Die Morphologie des menschlichen Körpers wird hier mehr als in jedem anderen Kleidungsstück sichtbar. Jeder Handschuh beinhaltet eine semiotische Ausdruckskraft – er kommuniziert. Handschuhe sprechen ihre eigene Sprache. Sie weisen in verschiedene Richtungen, zeigen auf etwas Konkretes oder ganz abstrakt in die Ferne. Die Geste einer Hand kann ein Gefühl ausdrücken, eine Gemütsbewegung, einen Zustand. Handschuhe erzählen Geschichten über menschliche Schicksale, werden zu Metaphern für Lebensgeschichten.
Eine Austellung ist geplant.