Konflikte? So ein Theater!
Vom Kostümbild zur Konfliktlösung
Streit, Krieg und Drama – Konflikte bilden den Stoff für Tragödien und Komödien, auf der Bühne wie im Leben. Ohne Krisen und Konflikte ist menschliches Miteinander nicht denkbar, und Theaterarbeit bedeutet nichts anderes als Arbeit mit Konflikten. Während diese auf der Bühne durchaus erwünscht sind, können sie im Alltag stören und belasten. Oft geht viel Energie verloren. Diversität und Vielstimmigkeit sind nicht nur auf der Bühne Grundvoraussetzungen für kreative, innovative und inspirierende Prozesse. Wenn viele verschiedene künstlerische und starke Köpfe aus unterschiedlichen Kontexten zusammen kommen, sind gute Ideen, aber auch Meinungsverschiedenheiten vorprogrammiert. Ich habe mich gefragt, welche Möglichkeiten es gibt, konstruktiver mit Konflikten, Frustrationen und Missstimmungen umzugehen – und das nicht nur im Theater, denn Erfahrungen mit Konflikten konnte ich in allen Lebenslagen sammeln.
Damit die Dramen auf der Bühne bleiben
Mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg lernte ich neue Strategien und vor allem eine Haltung kennen, die einen Weg zeigte aus den vorherigen Erfahrungen von Ohnmacht, Aggression und Hilflosigkeit in Konfliktsituationen. Gewaltfrei bedeutet dabei keineswegs ein kommunikatives Weichspülprogramm. Im Gegenteil. Gewaltfreie Kommunikation kann helfen, sich klar und vollständig auszudrücken. Damit wird eine Grundlage geschaffen, mit den Interessen und Bedürfnissen zu arbeiten, die sich hinter Konflikten verbergen und Potential für Perspektivenwechsel und für konstruktive Lösungen zu entwickeln. Konflikte auf diese Weise zu lösen kann unsere bestehenden Beziehungen vertiefen, unerwartete Chancen sichtbar machen und: Spaß machen!
Gewaltfreie Kommunikation und interkulturelle Kompetenz waren elementare Bestandteile in meiner Ausbildung zur Mediatorin, und ich übe weiter.
Vielfalt und Kultur-Gewebe: Beziehungsgeflechte
Während meines Studiums der Theaterwissenschaft, Anthropologie und der Ethnologie waren vielfache Perspektivenwechsel erforderlich. Besonders die Ethnologie hat mir die Augen für die Vielfalt von Lebensweisen und Konzepten in unserer Welt weiter geöffnet während ich gleichzeitig lernte, wie das akademische Denken selber durch „Denkschulen“ geprägt wird. Diese Erfahrungen weiß ich heute als Mediatorin sehr zu schätzen. Kulturreflexive Mediation bedeutet für mich, nicht nur unterschiedliche kulturelle Herkünfte der Konfliktparteien mitzudenken, sondern meine eigenen Prämissen, Vorannahmen, Weltvorstellungen und Menschenbilder kontinuierlich zu reflektieren und zu hinterfragen.
Als Kulturwissenschaftlerin und Kostümbildnerin haben mich zwei Dinge besonders inspiriert: Menschliche Geschichten, die unter die Haut gehen und die Gestaltung der „Zweiten Haut“. Den sprichwörtlichen roten Faden durch meine Arbeit bilden Kleidung und Textilien mit ihren Fragen nach Identitäten und ihrer Rolle in Konflikten. Textile Gewebe werden zum Symbol für die Beziehungsgeflechte, in denen wir uns bewegen.
In konfliktreichen Situationen, die (noch) nicht zugänglich sind für Worte, können künstlerische Interventionen den Prozess erhellen. In meine Arbeit fließen kreative Herangehensweisen aus Kunst und Theater sowie kunsttherapeutische Methoden aus der Psychotraumatologie ein, die einen stressreduzierenden und ressourcenstärkenden Ansatz verfolgt.
Mediatorin sein
Mediatorin zu sein ist für mich nicht nur ein Beruf. Mediation beinhaltet für mich eine Haltung, die ich in all meine verschiedenen Tätigkeiten einfließen lasse – beruflich wie privat. Das bedeutet, immer wieder die Perspektive zu wechseln, mich darin zu üben, meine Bewertung zurückzuhalten und verschiedene Sichtweisen gelten zu lassen – auch, wenn ich sie nicht immer teile. Im Laufe meines Lebens habe ich Einblicke in unterschiedlichste Lebensentwürfe erhalten dürfen, und die empfinde ich als außerordentliche Bereicherung.
Mediatorin zu sein bedeutet nicht, keine Konflikte mehr zu haben – sei es mit sich oder mit anderen. Es kann aber bedeuten, diese Konflikte schneller zu erkennen, weniger tief hineinzurutschen, sich in ihnen konstruktiver zu verhalten und ihr Potential als Chance zu erkennen und zu nutzen.
Konflikte konstruktiv und mit Empathie zu lösen bedeutet für mich: Raum für mehr Freiheit.
„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.
In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht,
unsere Reaktion zu wählen.
In unserer Reaktion liegen
unser Wachstum und unsere Freiheit.“
Viktor E. Frankl